Der Kirchbau
Die Stiftung einer Kirche zu Isenstedt und Frotheim
Am 16. September 1873 stellte Frau Witwe Agathe Stille, geborene Heidsiek, zu Renkhausen ein Kapital von 30.000 Talern zur Errichtung einer selbstständigen Kirchengemeinde zur Verfügung. Diese Schenkung war an sechs Bedingungen geknüpft, von denen die erste auch gleich die wichtigste ist.
Die erste Bedingung: „Die Abzweigung der Gemeinden Frotheim und Isenstedt nebst dem Gut Renkhausen von der Kirchengemeinde Gehlenbeck und die Konstituierung der vorgenannten Ortschaften zu einer besonderen selbstständigen Kirchengemeinde muss endgültig bis zum 31. Dezember 1875 erfolgt sein.“ Wie nötig und zugleich heilsam diese Bedingung war, werden wir sehen, wenn wir den weiteren Verlauf der Verhandlungen verfolgen.
Die zweite Bedingung, die mehr ein Wunsch der Stifterin ist, befasst sich mit dem Standort der zukünftigen Kirche. Frau Stille wünscht, dass die Kirche dort erbaut werden soll, wo sie jetzt steht. Damit steht die Kirche zwar nicht im Mittelpunkt unserer Gemeinde, aber an einer Stelle, die die Stifterin gut sehen und schnell erreichen konnte. Oder waren es nur praktische Überlegungen? Dieses Grundstück gehörte der Gemeinde Isenstedt. Es war, wie schon erwähnt, ursprünglich ein Schafteich gewesen. 1871 lies das Gut Renkhausen die angrenzenden Äcker (das ’neue Feld‘) drainieren. Dadurch vertrocknete der Teich. Wenn jetzt die Kirche dort errichtet wurde, dann konnte man annehmen, dass die Gemeinde Isenstedt das Grundstück schenken werde und man so Baukosten sparen konnte! Die Stifterin erklärte sich aber gerne bereit, ihr Einverständnis zu einem anderen Bauplatz zu geben. Von diesem Anerbieten hat man Gebrauch gemacht. Als man den Bau der Kirche plante, hat man nach einem Bauplatz gesucht, der mehr im Mittelpunkt der Gemeinde lag. Man war der Meinung, dieser ehemalige Teich sei als Bauplatz ungeeignet. Doch alle Grundstücksverhandlungen scheiterten. Als dann noch ein Gutachten des Baumeisters Moelle, des Erbauers der Kirche, die letzten Zweifel an der Brauchbarkeit des Grundstücks zerstreute, war es entschieden, dass unsere Kirche an der Stelle gebaut wurde, die die Stifterin gewünscht hatte. Es war zugleich der Ort, den die Prophezeiung des alten Niermann angegeben hatte.
Die dritte Bedingung betrifft dann den Kirchenbau selbst: „die Kirche soll würdig und solide gebaut und hinlänglich geräumig sein.“ Der unter diesen Vorbedingungen erstellte Bauplan muss die Zustimmung der Stifterin finden. Bei der Erörterung über den Kirchenbau muss darauf noch näher eingegangen werden.
Die vierte Bedingung hat eine größere Tragweite: bei der ersten Pfarrwahl und bei allen folgenden möchte die Stifterin und ihre Nachfolger auf Renkhausen einen entscheidenden Einfluss haben. Darüber hat es manche Auseinandersetzungen gegeben, die bei der Besprechung der Errichtungsurkunde dargelegt werden sollen.
Die fünfte Bedingung ist ganz selbstverständlich: die Stifterin wünscht für sich und ihre Familie, für das gutes Personal und für die Arröder angemessene Plätze in der Kirche. Beim Bau der Kirche hat man diesem Wunsche entsprochen und an der Südseite, neben dem Eingang zur Taufkammer, einen separaten Eingang geschaffen, der über eine Treppe zur Renkhauser Empore führte. Die Älteren unter uns wissen noch, wie der Ostteil der Südempore aufgeteilt und mit besonderen Sitzen versehen war.
Die sechste Bedingung enthält den Wunsch der Stifterin, dass ihrer und ihrer Familie im Fürbittengebet gedacht werden. Auch darüber sollen weitere Einzelheiten bei der Besprechung der Errichtungsurkunde mitgeteilt werden.
In den Schlusssätzen der Schenkungsurkunde wird noch einmal das Anliegen der ersten Bedingung deutlich gemacht, denn da heißt es: „soll die definitive Konstituierung nicht bis zum 31. Dezember 1875 erfolgt sein, so halte ich mich an meine gegenwärtige Verpflichtung nicht gebunden und werde über die zu schenkende Summe von 30.000 Thalern anderweitig verfügen.“
Damit ging diese Urkunde an die beiden Vorsteher der politischen Gemeinden Isenstedt und Frotheim. Sie sollten die wahlberechtigten Mitglieder der Gemeinde fragen, ob sie diesem Wunsche der Stifterin nach Bildung einer eigenen Kirchengemeinde und dem Bau einer eigenen Kirche zustimmten. Wie freudig man diese neue Möglichkeit ergriff, geht aus der Tatsache hervor, dass diese Befragung schon zehn Tage später erfolgte. Dabei erklärten sich die Anwesenden einstimmig mit den Bedingungen der Schenkungsurkunde einverstanden.
Agathe Stilles Begründung der Stiftung
Es war aber noch ein weiter Weg, bis der Wunsch der Stifterin in Erfüllung ging. Bevor wir den weiteren Verlauf der Verhandlungen verfolgen, wollen wir doch zunächst fragen: wer war diese Frau, die mit ihrer hochherzige Spende die Errichtung unserer Kirchengemeinde und den Bau unserer Kirche ermöglichte? Als sie im September 1873 ihre Schenkung machte, war sie die alleinige Besitzerin des Gutes Renkhausen. Dieses ehemalige Rittergut Renkhausen ist seit dem Mittelalter bekannt und hat im Laufe von 300 Jahren mehreren adeligen Familien gehört. Dies kann man nachlesen in dem Buch „Die Rittersitze der Grafschaft Ravensberg und des Fürstentums Minden“. Dort heißt es von dem letzten adeligen Besitzer: „Nachdem Heinrich Freiherr von Korff majorenn (großjährig ) geworden war, verkaufte er, weil er im Hasard (Glücksspiele) bedeutend verloren, das Gut.“ Dieses kauften im Jahre 1816 drei Lübbecker Bürger, nämlich die Kaufleute F. W. Knollmann und Karl Stille und der Steuereinnehmer Gerlach. Im folgenden Jahr erwarb dann der Kaufmann Karl Stille das alleinige Eigentum. Im Jahre 1826 verheiratete er sich mit Agathe Heidsiek aus Lübbecke. Nach dem Tode von Karl Stille blieb seine Witze im alleinigen Besitz des Gutes Renkhausen, zu dem noch ein Hofgut in Lübbecke gehörte, da sie mit ihrem Ehemann im Gütergemeinschaft gelebt hatte. Dieser Witwe Agathe Stille verdanken wir unsere Kirche. Was hat sie wohl zur Stiftung dieser großen Summe bewogen? In der Schenkungsurkunde gibt sie drei Gründe dafür an:
1. die Entfernung der Gemeinden Isenstedt und Frotheim von der Kirche in Gehlenbeck ist viel zu groß, um Alten und Schwachen den Besuch des Gottesdienstes zu ermöglichen;
2. die Kirche in Gehlenbeck ist für die gegenwärtige Seelenzahl des Kirchspiels zu klein, so dass nicht alle darin Platz haben;
3. die weite Entfernung unserer Dörfer von der Pfarre in Gehlenbeck und ihre zerstreute Lage machen eine seelsorgerliche Betreuung durch den einen Pfarrer unmöglich.
Diese drei sehr stichhaltigen Gründe sind nicht die einzige Ursache dieser Stifterin gewesen. Aus ihrem Testament geht hervor, dass sie diese 30.000 Thaler eigentlich den Gemeinden Isenstedt und Frotheim zur Errichtung eines Armenhauses geben wollte. (Mit der Bezeichnung Armenhaus ist wahrscheinlich ein Pflegehaus für diejenigen Alten und Kranken gemeint, die zuhause keine Pflege erwarten konnten; ein Haus, wie es in Obernfelde steht ) Von diesem Vorhaben hat sie aus zwei Gründen Abstand genommen: einmal war es nicht möglich, genügend Diakonissen für dieses Haus zu gewinnen, und zum anderen schien der Bedarf an Pflegeplätzen in unseren beiden Dörfern gar nicht so groß zu sein. So änderte Frau Stille ihr Testament und gab die für das Armenhaus ausgesetzte Summe für den Neubau unserer Kirche. Dieser Entschluss, ein solches Kapital – nach heutiger Währung circa 1.500.000 DM (800.000 Euro) – zu verschenken, dürfte nicht spontan gekommen sein, sondern wird gereift sein unter den schweren Schicksalsschlägen der letzten Jahre ihres Lebens. Im September 1871 verlor sie ihren einzigen Sohn. Wie mir immer erzählt worden ist, stürzte er in einen Moorgraben und ertrank. Er hinterließ zwei unmündige Söhne, von denen einer im Mai 1873 im Alter von zwölf Jahren ebenfalls verstarb. Die Stifterin selbst hat sicher gefühlt, wie ihre Kräfte abnahmen. So bestellte sie ihr Haus. Ihre Kinder waren versorgt. Aber nicht ihnen allein galt ihre Fürsorge, sie fühlte sich auch den Menschen verbunden, unter denen sie fast 50 Jahre gelebt hatte. Nachdem ihre Absicht, ein Haus zu schaffen, in dem christliche Liebe tätig werden konnte, sich nicht verwirklichen ließ, stiftete sie ein Haus, in denen Menschen in Ruhe sich versammeln können, um die Botschaft von der Errettung zu hören, um dadurch zum Glauben und zum inneren Frieden zu kommen. Die Stifterin hat die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde und den Bau der Kirche nicht mehr erlebt: am 18. Oktober 1874 verstarb sie. Als Todesursache gibt das Lübbecker Sterberegister Altersschwäche an. Als Testamentsverwalter hatte sie ihren Schwiegersohn, Regierungsrat Süs in Minden, eingesetzt, der die Bestimmungen ihres Testamentes mit großer Gewissenhaftigkeit ausgeführt hat.
Die schwierigen Verhandlungen mit der Muttergemeinde, der Kreissynode, dem Konsistorium und der Mindener Regierung
Wie ging es nun weiter mit der Konstituierung unserer Kirchengemeinde und dem Bau der Kirche? Zunächst musste die Vertretung des Kirchspiels Gehlenbeck gefragt werden, ob sie der Auspfarrung von Isenstedt und Frotheim zustimme. (Die Vertretung einer Kirchengemeinde bestand früher aus dem Presbyterium und den Repräsentanten. In Gehlenbeck waren es damals 14 Presbyter und 60 Repräsentanten). Diese Vertretung wurde vom Konsistorium für den 19. Februar 1874 zu einer Sitzung zusammengerufen, um über die Auspfarrung zu entscheiden. Anwesend waren alle 14 Presbyter und 52 Repräsentanten.
Nur 29, meistens Abgeordnete aus Isenstedt und Frotheim, stimmten für die Auspfarrung. Damit war der Antrag abgelehnt. Der Grund für die Ablehnung war die Angst, die Lasten für den Unterhalt der Kirche und des Pfarrers, sowie für den Organisten und den Küster könnte für die Restgemeinde zu groß werden. Wie wenig man diese ablehnende Haltung verstehen konnte, geht aus dem Bericht der Kreissynode Lübbecke vom 8. Juli 1874 hervor. Nachdem die Angelegenheit vom Superintendenten eingehend vorgetragen war, fasste die Synode den folgenden Beschluss:
„Synode bezeugt ihre dankbare Anerkennung für die zur Gründung einer selbständigen Kirchengemeinde Isenstedt-Frotheim ausgesetzte Schenkung. Synode erklärt gleichzeitig ihre Anerkennung, dass durch die Geschenkgeberin in der angegebenen Weise einem vorhandenen kirchlichen Bedürfnis in erfreulicher Weise Abhilfe gewährt wird.“
War damit die Errichtung der Kirchengemeinde unmöglich geworden? Fiel damit die Schenkung an die Familie Stille zurück? Als ob nichts geschehen, ließ das Konsistorium am nächsten Tage, am 20. Februar 1874, durch die Wahlberechtigten aus Isenstedt und Frotheim 25 Repräsentanten wählen. Diese sollten unsere zukünftige Kirchengemeinde in allen Fragen der Auspfarrung und des Neubaus der Kirche vertreten.
Diese Repräsentanten tagten unter dem Vorsitz des Amtmann Lüders. Sie haben sich mit den verschiedenen Plänen für den Kirchenbau, aber auch mit den Bestimmungen der Schenkungsurkunde über die Pfarrwahl, über die Plätze für Renkhausen, sowie über das Fürbittengebet für die Familie der Stifterin auseinandergesetzt.
Für den 10. September 1875 berief das Konsistorium in Münster dann zusammen mit der Regierung in Minden erneut eine Sitzung des Presbyteriums und der Repräsentanten des gesamten Kirchspiels ein, um die Angelegenheit endgültig zu klaren. Welche Bedeutung man dieser Sitzung beimaß, ist schon daraus zu ersehen, dass beide Behörden durch leitende Beamte vertreten waren. Aber auch in Gehlenbeck merkte man, dass die Entscheidung an diesem Tage fallen würde: es waren alle 14 Presbyter und dazu 59 Repräsentanten erschienen. Nur ein Repräsentant fehlte krankheitshalber.
Es sprach zunächst der Konsistorialrat Niemann aus Münster. Er führte aus: die Gemeinde sei an Seelenzahl zu groß für einen Pfarrer, auch liege die Kirche zu ungünstig für den seelsorgerlichen Dienst des einen Pfarrers in der weit verzweigten Gemeinde. Außerdem sei die Kirche in Gehlenbeck zu klein für die große Gemeinde. Aus diesem Grunde müsse eine Änderung eintreten. Dafür gäbe es zwei Möglichkeiten:
- Isenstedt und Frotheim würden ausgepfarrt und erhielten eine eigene Kirche und einen eigenen Pfarrer. Der größte Teil der Kosten sei durch die Schenkung gedeckt.
- Wenn man dem nicht zustimme, würde die Kirchenleitung wegen der dargelegten Missstände fordern, dass in Isenstedt oder Frotheim eine Filialkirche gebaut und eine zweite Pfarrstelle errichtet würde. Die Kosten dafür habe dann das gesamte Kirchspiel Gehlenbeck zu tragen.
Dann sprach der Oberregierungsrat von Schlierstade aus Minden. Er machte am Schluss seiner Ausführungen den Vorschlag, zuerst über die Auspfarrung abzustimmen, die Auseinandersetzung über die Teilung des Kirchenvermögens auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen.
Dieser Vorschlag wurde angenommen und man schritt zur Abstimmung. Darüber bemerkt das Protokoll:
„es wurde die Frage, ob Versammlung die Gemeinden Isenstedt und Frotheim zur Neubildung eines eigenen Pfarrsystems aus dem bisherigen Verbande entlassen wolle, durch Abstimmung und zwar dahin entschieden, dass eine Majorität von 3 Stimmen die Entlassung der Gemeinden Isenstedt und Frotheim zum Beschluss erhob.“
Die Gründung der Gemeinde Isenstedt-Frotheim
Jetzt konnte die Gründung der neuen Kirchengemeinde erfolgen, der Termin der Schenkungsurkunde war eingehalten und der Neubau der Kirche war in greifbare Nähe gerückt. Die Verhandlungen darüber, was die neue Kirchengemeinde vom Vermögen der alten Gesamtgemeinde mitbekommen sollte, sind noch lange geführt worden. Wie sie geendet haben können wir aus der Errichtungsurkunde ersehen. Nachdem man nun in Gehlenbeck der Auspfarrung zugestimmt hatte, konnte der Antrag auf Errichtung der Kirchengemeinde Isenstedt – Frotheim seinen Weg durch die Behörden antreten – und dieser Weg war lang:
Er führte vom Superintendenten zum Konsistorium nach Münster und von dort zur Regierung nach Minden und endlich zum Ministerium für geistliche Angelegenheiten und zum evangelischen Oberkirchenrat, die sich beide in Berlin befanden. Die Berliner Dienststellen genehmigten den Antrag am 19. Mai 1877, darauf gab die Regierung in Minden in Zusammenarbeit mit dem Konsistorium in Münster die Errichtungsurkunde heraus. Sie ist in Minden am 30. Mai 1877 und in Münster am 7. Juni 1877 unterzeichnet worden.
Mit dieser Urkunde wurden viele wichtige Bestimmungen für unsere Gemeinde getroffen:
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- Unsere Kirchengemeinde ist als evangelisch-lutherische Kirchengemeinde. Der Rationalismus, von dem wir eingangs hörten, war am Bekenntnis der Kirche nicht interessiert und wollte es am liebsten abschaffen. Die Erweckungsbewegung hatte klar erkannt, dass mit der Abschaffung des Bekenntnisses dem Unglauben Tor und Tür geöffnet wird, dass dann auch der Inhalt der Bibel nicht nicht mehr gesichert ist. Darum wusste man, wie notwendig es ist, sich auf das Bekenntnis festzulegen die alte Muttergemeinde hielt sich zum lutherischen Bekenntnis. So war es selbstverständlich, dass das lutherische Bekenntnis auch für die neue Kirchengemeinde verbindlich wurde. Weil das so ist, darum lernen die Kinder in unserer Kirchengemeinde den kleinen Katechismus von Martin Luther. Leider meinen viele Erwachsene, dieses Buch sei nur für Kinder und bestimmt. Luther selbst hat gesagt, dass er jeden Tag den Katechismus betet. Der kleine Katechismus ist ein Buch fürs Leben. Jeder Soldat, der in den Krieg zieht, hat eine eiserne Aktion im Marschgepäck. Diese soll ihn in Notfällen zum Überleben helfen.
- beendet die Errichtungsurkunde die Auseinandersetzung über das Kirchenvermögen: Von dem Vermögen des gesamten Kirchspiels bekommt unsere Kirchengemeinde nichts mit. Im Gegenteil: für den Pfarrer, Kantor und Küster in Gehlenbeck sind, solange dieselben noch im Amt sind, jährliche Ausgleichszahlungen zu leisten. Diese Zahlungen sind bis 1886 auch gezahlt worden und dann im allgemeinen Einvernehmen eingestellt worden.
- Für die Pfarrwahl hatte die Stifterin ein Mitspracherecht gefordert. Nach langen Verhandlungen zwischen dem Testamentsverwalter, der Kirchenleitung und den Vertretern der neuen Kirchengemeinde hatte man sich auf folgende Abmachung geeinigt:“Bei der ersten Besetzung der Pfarrstelle präsentiert das Königliche Konsistorium den Besitzern von Renkhausen drei Kandidaten., aus welcher Zahl derselben den ihn genehmen zu designieren das Recht hat, bei der zweiten Besetzung präsentiert die Gemeinde die drei Kandidaten, und steht dem Besitzer in gleicher Weise die Befugnis zu, unter diesen drei Kandidaten den ihm am meisten genehmen dem Königlichen Konsistorium zur Ernennung zu designieren. Von da ab alterniert das Präsentationsrecht zwischen Konsistorium und Gemeinde.“Diese Bestimmung ging von der Voraussetzung aus, dass die Familie Stille immer im Besitz des Gutes Renkhausen bleiben würde. Jedoch 25 Jahre nach diesen Abmachungen verkaufte der Enkel der Stifterin das Gut. Damit war diese Bestimmung hinfällig und die Besetzung der Pfarrstelle erfolgte nach den Vorschriften unserer Kirchenordnung. Endlich
- wurde auch die Fürbitte im Schlussgebet des Gottesdienstes verankert. Auf „allerhöchsten Erlaß“, d..h. auf Erlass des Ministeriums in Berlin wurde in das Fürbittengebet folgender Satz eingeschoben: „Auch befehlen wir Deiner Obhut o Gott, die Familie des Gutes Renkhausen. Laß Deinen Segen auf ihr ruhn und. Deinen Frieden bei ihr bleiben.“
So war nach langen Verhandlungen endlich die neue Kirchengemeinde Isenstedt-Frotheim Wirklichkeit geworden. Da eine selbständige Kirchengemeinde auch eine rechtliche Vertretung braucht, so wurden alle wahlberechtigten Einwohner zum 5. September 1877 zur Wahl der Repräsentanten in die Schule Isenstedt eingeladen. Dort wurden aus Isenstedt und Frotheim in geheimer Wahl je 20 Repräsentanten gewählt. Die erste Aufgabe dieser Repräsentanten war es, aus ihrer Mitte je 3 Presbyter für Isenstedt und 3 für Frotheim zu wählen. Dies geschah am 23. September 1877. Es wurden gewählt zu Presbytern:
aus Isenstedt:
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- Vorsteher Pepsin, Nr. 133
- Colon Spechtmeyer, Nr. 4
- Colon Lange, Nr. 25
aus Frotheim:
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- Colon Jostmeyer, Nr. 15
- Colon Schütte, Nr. 4
- Colon Quade, Nr 24
Außerdem wurde als Kirchmeister Rentmeister Overmeyer zu Renkhausen gewählt.
Die komplizierte Planung des Kirchbaus und die Gestaltwerdung der Kirche
Diese Vertretung hatte nun die große Aufgabe, die Planung und den Bau der Kirche zu Ende zu bringen. Mit dem Planen für die neue Kirche hat man gleich nach der Annahme der Schenkung durch die Einwohner von Isenstedt und Frotheim begonnen. Schon die Stifterin hat aus diesem Grunde Anfang des Jahres 1874 Verhandlungen mit dem Kreisbaumeister Harhausen aus Herford geführt. Sie hätte gern zu ihren Lebzeiten die Kirche noch fertig gesehen. Doch schon am 19. Oktober 1874 wurde sie heimgerufen. Gleich nach ihrem Tod hat ihr Schwiegersohn die Verhandlungen, die sie begonnen hatte, fortgesetzt. Ende Februar 1875 legte Harhausen seinen Plan vor. Unterlagen davon liegen nicht vor. Er ist nicht zur Ausführung gekommen, weil das Bauamt der Regierung ihn nicht genehmigte.
Als dann die Auspfarrung unserer Gemeinde am 10. September 1875 beschlossen war, erhielt der Superintendent Kunsemüller, der in Wehdem Pfarrer war, vom Konsistorium in Münster den Auftrag, möglichst umgehend einen Bauplan zu besorgen. Dieser ging sofort ans Werk. Von dem kirchlichen Bauverein für Rheinland und Westfalen ließ er sich als geeigneten Architekten den Königlichen Bau- Inspektor Berghauer in Liegnitz empfehlen. Schon am 14. September 1875 unterbreitete er diesem seine Wünsche. Berghauer machte sich auch sofort an die Arbeit und am 18. Oktober schon traf sein Plan mit Erläuterungsbericht ein. Alle waren erfreut darüber, nur das Bauamt der Regierung nicht, das seine Zustimmung nicht gab. Es war auch bestimmt nicht leicht, einen Entwurf für unsere Kirche zu erstellen, da insgesamt fünf Stellen ihn genehmigen mussten:
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- die Vertretung unserer Kirchengemeinde,
- der Superintendent,
- der Testamentsverwalter,
- das Konsistorium in Münster und
- das Bauamt der Regierung in Minden.
Die Vertreter unserer Kirchengemeinde waren zu allen vernünftigen Kompromissen bereit. Sie erschwerten aber die Durchführung der Planung dadurch, dass sie immer neue Wünsche wegen des Bauplatzes vorbrachten: 1875 wurde der jetzige Kirchplatz als Standort der neuen Kirche beschlossen. 1876 hört man von erneuten Grundstücksverhandlungen, von denen es dann heißt:
„jedoch steigern die Anlieger ihre Forderungen auf ein unbescheidenes Maß, daß möglicherweise ein anderer Bauplatz in Erwägung zu ziehen ist.“
Wo dieses Grundstück lag, ist nicht zu ermitteln. 1877 werden die Vertreter unserer Gemeinde wieder bei Regierungsrat Süs vorstellig und exklären: die Mehrheit der Gemeinde wünsche, dass die Kirche an der
„Frotheim-Fiesteler-Chaussee auf dem Isenstedter Hügel bei Baus Nr.66“
erbaut werde.
Am 6. Dezember 1877 wird unter all diese Verhandlungen ein Schlussstrich gezogen und beschlossen, unsere Kirche am jetzigen Standort zu bauen. Auch die andern genannten Stellen waren stets zu Verhandlungen bereit, nur: das Bauamt der Regierung nicht, das schon zwei Baupläne abgelehnt hatte. Darum entschloss man sich, den dritten Plan von einem leitenden Beamten dieser Behörde anfertigen zu lassen. Im Herbst 1876 kann man den Regierungs-Baurat Pietsch in Minden für diese Aufgabe gewinnen. Am 8. November 1876 legt er seinen Plan vor, der in der Anlage beigefügt ist. Alle Stellen stimmen zu, die Regierung allerdings mit Vorbehalten. Sie verlangt, dass zur Erteilung der Baugenehmigung noch eine Reihe von Unterlagen erbracht werden müssen. Das Bauamt der Regierung konnte diesen 5. Plan auch unmöglich ablehnen. Es konnte doch einem Mitglied seiner eigenen Behörde nicht entgegentreten. Außerdem war der Entwurf von Pietsch nur eine unwesentliche Kopie aus einer Sammlung von Musterblätter für Kirchenbauten, die der preußische Staat 1848 herausgegeben hatte. Als Baurat Pietsch sich nun ans Werk machte, die fehlenden Unterlagen zu erzielen, wurde er nach Oppeln versetzt. Ein halbes Jahr lang musste man nach einem geeigneten Mann suchen, der die Bauunterlagen fertigstellte. In November 1877 übertrug man dem Baumeister Moelle aus Minden diese Aufgabe. Doch er erstellte zunächst nicht die fehlenden Unterlagen, sondern arbeitete den Plan des Baurates Pietsch völlig um. Dadurch erhielt unsere Kirche ihre heutige Gestalt.
Die Ausführung des Kirchbaus und die feierliche Einweihung 1880
Jetzt ging es schnell weiter und im Sommer 1878 konnte man endlich mit den Bauarbeiten beginnen. Am 31. Juli 1878 fand die Grundsteinlegung unter großer Teilnahme der Gemeinde statt. Da man diese Feier vor der Roggenernte abhalten wollte, hatte man in der Eile ganz vergessen, die Familie der Stifterin und vor allen Dingen den Testamentsvollstrecker, Regierungsrat Süs, einzuladen. In dem Grundstein ist eine Urkunde eingemauert, die in Abschrift noch vorhanden ist. Sie wiederholt die Geschichte der Gemeinde in kurzen Zügen. Außerdem sollen in dem Grundstein die Schenkungsurkunde und die Errichtungsurkunde, sowie Bild der Frau Agathe Stille eingemauert sein. (Leider wissen wir nicht, wo der Grundstein sich befindet.)
Das Bauvorhaben der Kirche ging nun zügig voran und am 27. Juli 1880 konnte die Kirche eingeweiht werden. Darüber schreibt Pastor Winckler in einen Bericht vom Jahre 1880:
„Der Tag war ein rechtes Freudenfest für die Gemeinde. Es fand sich nicnt nur die eigene Gemeinde fast vollzählig ein, sondern auch die Nachbargemeinden, besonders die Muttergemeinde Gehlenbeck, waren durch sehr viele Glieder vertreten. Als Vertreter des Konsistoriums war der Generalsuperintendent Wiesmann erschienen, als Vertreter der Provinzialkirche der Präses Polscher, der synodalen Geistlichkeit mit dem Superintendenten der Synode Lübbecke, Pfarrer Erfling von Blasheim, an der Spitze hatten sich noch etliche Amtsbrüder aus dem Minden-Ravensbergischen angeschlossen. Von den weltlichen Behörden hatten sich der Regierungspräsident von Minden, von Pilgrim, der Landrath des Kreises , von Oheimb, und der Bürgermeister Lüders von Lübbeke, welcher zugleich Amtmann der Gemeinde ist, eingefunden. Vom Pfarrhause aus zog man, an der Spitze der Generalsuperintendent mit dem Ortspfarrer und das Presbyterium, welches die heiligen Geräthe trug, in die Kirche. Vor derselben nahm der derzeitige Patron, Regierungsrath Süs, das Wort, um kurz auf die Entstehung der Gemeinde hinzuweisen und den Wunsch auszusprechen, daß das Gotteshaus eine Stätte der Frömmigkeit und Gottesfurcht werden und aus dem Gotteshause ein Strom göttlichen Segens in die Gemeinde sich ergießen möge. Nachdem die Übergabe des Schlüssels durch den Baumeister der Kirche, Herrn Mölle aus Minden, erfolgt war, schloss der Pfarrer der Gemeinde die Kirche auf mit den Worten: Joh. 10,9; Ich bin die Thür, spricht der Herr etc. und herein strömte die Menge des Volkes unter dem Präludium der Orgel, die von dem Pfarrer Möller aus Alswede gespielt wurde. Nach Eingangslied und kurzer Liturgie hielt der Generalsuperintendent Wiesmann die Weiherede vom Altar aus in Anschluß an die Worte Matth. 11,28. Auf das Weihegebet folgte die Einweihung, worauf der Präses Polscher die Gemeinde als ein neues Glied der Provinzialkirche auf Grund von Ephes. 2, 19 folg. begrüßte. Damit war der erste Theil der Doppelfeier beendet. Es folgte nunmehr die Einführung des neues Pfarrers durch den Superintendenten Erfling, worauf der neu Eingeführte seine Antrittspredigt hielt im Anschluß an den Kirchweihtext Luc. 19,1-10. Zugleich übernahm er sein Amt in der Gemeinde mit der Taufe des 1.ten Kindes vor der Gemeinde, nach welcher dann der Generalsuperintendent mit dem Segen vom Altar aus die gesamte Feier schloß.“
Der Bau der Kirche hat Wirklichkeit werden lassen, was die Stifterin sich gewünscht hatte: „sie soll würdig, solide und hinlänglich geräumig sein“. Wenn man vom Turm aus durch die Windfangtür das Kirchenschiff betritt, kommt man in eine geräumige Halle, die 14 x 21 m groß ist. An der West-, Süd- und Nordseite sind Emporen angebracht, um möglichst viel Sitzplätze zu schaffen. Genau dem Eingang gegenüber sehen wir den Altar mit dem Kreuz, das aus der Isenstedter Kapelle stammt. Das Fensterbild darüber zeigt den Apostel Paulus mit dem zweischneidigen Schwert und den Apostel Johannes mit dem Kelch und darüber in einem kleinen Medaillon das Kirchensiegel unserer Gemeinde: das Lamm mit der Siegesfahne, von dem es in der Offenbarung des Johannes 5,12 heißt:
„Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob“.
Damit werden wir auf das hingewiesen, was am Altar geschieht. Dort wird das heilige Abendmahl gefeiert, in dem der gekreuzigte und auferstandene Herr gegenwärtig bei uns ist unter der Gestalt von Brot und Wein. Zur Rechten fällt unser Blick auf den Taufstein und erinnert uns an unsere Taufe und an die uns dabei gegebene Verheißung Gottes:
„Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ (Jes. 54,10)
Zur linken Seite sehen wir die Kanzel. Leider muss sie wegen der Emporen so hoch sein. Sie erinnert uns an das Wort der Bibel:
„Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit.“ 1.Petr.1,25
Dieses ewige Wort Gottes, nicht Menschenwort oder Menschenweisheit, soll dort verkündet werden. Es war mir, liebe Gemeinde, eine rechte Freude, die Geschichte der Entstehung unserer Kirchengemeinde in einem etwas größerem Rahmen darzulegen. Mein Dank gilt denen, die an der Durchführung dieser Arbeit mitgearbeitet haben, vor allen Dingen auch dem Presbyterium, das diesen Druck finanziell ermöglicht hat. Meine guten Wünsche gelten meiner alten Kirchengemeinde, der ich in ihrer 100-Jährigen Geschichte 29 Jahre als Pfarrer und noch 2 Jahre jetzt als ‚Hilfsarbeiter‘ dienen durfte.
„Herr ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.“
Von der Liebe zu diesem Hause sollten diese Blätter Zeugnis geben. Meine Wünsche für die Zukunft der Kirchengemeinde kann ich nicht besser ausdrücken als Superintendent Kunsemöller sie am Schluss der Urkunde formuliert hat, die im Grundstein eingemauert ist.
„Der dreieinige Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist walte über den Kirchenbau in Gnaden, nehme die Kirche in seinen Schutz und Schirm, segne die Gemeinde auf Kind und Kindeskinder, erhalte dieselben beständig bei seinem Worte und Sakramente, gebe ihr allezeit gläubige treue Seelsorger und Hirten, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben, als rechtschaffene Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse, daß sie erbaut werde in Frieden, im rechten Glauben und Bekenntnis und gottseligen Leben und Handel, Zur Ehre und zum Preise Gottes und der Seelen Heil und Seligkeit bis auf die Zukunft unseres Herr Jesu Christi, welchem samt dem Vater und dem heiligen Geiste sei Lob, Preis, Ehre und Anbetung von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“